Die Weichenstellung ins Glück

Es folgte der Tag der optimalen Weichenstellung für meine weitere Laufbahn. Die Geburtsstunde etwas Eigenes aufzuziehen. Entscheidungen – das war mein Ding. Auf zu Tag X, dem Tag des jüngsten Gerichts, der den beruflichen Start in mein Leben bedeutete. Pehzehman rief mich früh morgens zuhause an. Big Boss hätte Grippe und Pehzehman müsste Wesel aufmachen. Er fragte, ob ich es mir zutrauen würde den Laden in Kleve alleine zu machen? Ey klaro, ich sagte sofort zu. Das war affengeil! Sorry, das sagten wir tatsächlich damals dazu, ich schäme mich noch heute dafür. Aber Ihr wisst, worum es geht, man kann doch nicht allen Nerds in Ostholland das Habitat nehmen, das wäre unverantwortlich.

Meinen Eltern erzählte ich besser nichts davon. Pehzehman holte mich ab und scherzte noch, dass ich alles bezahlen müsste, wenn der Laden abfackelt. Ok, das hatte einen Grund. Mit dem Azubi hatte ich mal eine Mülltonne versehentlich abgefackelt. Hey, wer soll denn wissen, dass die so schnell brennen, wenn man auf offener Straße mit diversem Material experimentiert, wie brennbar es ist und dann als die Situation außer Kontrolle gerät, gerade keine Löschdecke parat hat? Die Polizei mag keine schlechten Ausreden, mehr möchte ich dazu nicht sagen. Ich lernte jeden Tag etwas Neues dazu.

Ihr merkt, ich mache es spannend. Also es war der Tag X, in Englisch der Judgement Day – viel dramatischer als bei uns der Tag des jüngsten Gerichts, der über meine Zukunft entscheiden würde. Ach, ich mach es besser. Es war der Deadline-Day. Ich wäre also quasi mit gelber Farbe überschüttet worden, aber damals hieß es noch Premiere, darum blieb ich von einer farblichen gewagten Veränderung verschont.

Olli’s Checkliste:

Feuerzeug=0
Selbstbewusstsein=1
Nerdbrille=0
Unvergütete Verkaufserfahrung=1
Kuscheltier=0
Jedi-Schwert=0
Game of Thrones=Gab es damals noch nicht

Ich war also noch nicht wirklich koordiniert, aber was sollte schief gehen? Da stand ich nun am Eingang, atmete einmal tief durch und schaltete in Nullkommanix das Licht ein. Ich war Muhammad Ali – Legende=1! „I’m so fast that last night I turned off the light switch in my hotel room and was in bed before the room was dark.“

Ich fuhr das Kassensystem hoch. Ich spürte diese Jedi-Energie in meinem Blutkreislauf. Es war meine Berufung. Nun wollte ich aber nicht mehr Verkäufer werden oder als Upgrade Store-Manager. Nein, ich wollte selbstständig werden und irgendwann mehrere Filialen haben, denn der Tag lief so toll. Es war regnerisch, aber die Stadt war ganz gut besucht. Ich könnte die Geschichte noch aufpeppen und behaupten, dass ich an dem Tag mehr Umsatz als Pehzehman aka Yoda gemacht hätte, aber bleiben wir mal auf dem Teppich. Ich war nicht im Flagship-Store, sondern in Ostholland.

Als Pehzehman am späten Nachmittag in den Store kam, um mich abzuholen, hatte ich leuchtende Augen und wir scherzten noch über die Umsätze, wie man es so unter Verkäufern macht. Ich ließ den Laden natürlich noch auf bis Pehzehman mich abholte, um das Ergebnis weiter zu optimieren, denn ich war ein schlechter Verlierer. Bei mir war natürlich das Wetter schuld, da ich keinen exponentiellen Anstieg meiner Umsatzkurve mehr verzeichnen konnte. Es war dennoch einer der schönsten Tage meines Lebens. Ich erfuhr totale Wertschätzung ( Skeptiker würden es als Notlage titulieren) und bekam den höchsten Lohn mit 50 DM für sieben Stunden Arbeit.

Ich habe nie gefragt, ob man mich insgeheim ausnutzen wollte. Ich hielt noch 1-2 Jahre Kontakt zu Pehzehman und wir gingen auch mal feiern. Er konnte mir an anderer Stelle noch wertvolle Tipps mit auf den Weg geben, aber das überlasse ich mal Eurer Interpretation meiner Geschichte. Nach dem Tag wusste ich, dass es Zeit werden würde weiter zu ziehen. Ich hatte alles gesehen und brauchte nun mehr Infos und Praxis, nur noch gegen Vergütung.

Pehzehman war viele Jahre später noch einmal durch Zufall bei mir im Store. Arbeitslos, kinderlos, geschieden, immer noch den Golf II fahrend. Er sah echt mitgenommen aus und gratulierte mir zu meinem Erfolg. Er sagte mir, dass er schon immer wusste, dass ich in die Richtung gehen würde. Wie viel Wahrheitsgehalt dahinter steckte, kann ich heute nicht mehr sagen, aber damals wurde ich gefühlsmäßig zum Ritter geschlagen.

Pehzehman, ich behalte Dich immer als Superstar der Computerspiele-Verkaufsszene in Erinnerung und hoffe nicht, dass Du bei einem Fachhandel aus Ingolstadt gelandet bist. Für die gut, aber Du hättest selbst von Dir behauptet Deine Seele an den Teufel verkauft zu haben. Eins wirst Du hoffentlich gelernt haben. Ein Low Budget-Titel muss nicht immer ein Ladenhüter sein und kann gemäß dem Preis zum Renner werden. Ein „Low-Budget-Ladenhüter“ wurde dies zumindest ebenfalls.

Liebe Grüße, wo auch immer Du gerade steckst! Dein OZ!