Ich werde zum Dealer

So, ich drifte wieder ab, back to topic. Mein Vater fuhr auch häufig mal zum Trödelmarkt stöbern, ob er wieder irgendeinen tollen antiken Artikel für unser mit komischen Skulpturen und Porzellan gefülltes Haus fand. Ich nannte mein zuhause nur „Dschungel des schlechten Geschmacks“ – sorry. Wenn es damals Instagram für mein Haus, mein Boot, mein Auto gegeben hätte, dann gäbe es vermutlich eine Empfehlung seitens Instagram den Account sperren zu lassen. Zwischeninfo: Ich teile den Link zur Story nicht mit meinen Eltern. Zurück zum Flohmarkt. Hin und wieder stellte sich mein Vater ohne meine Mutter, weil sie sagen wir mal zur typischen Marktatmosphäre Analogien zu Stammtischen herstellte, auf den Markt und mit 12 durfte ich das erste Mal abseits von meinem Daddy ganz alleine mit einem Freund mein altes Zeug verkaufen. Ich, entgegen meiner Mum, liebte die Atmosphäre, die lockeren Gespräche, die kleinen Spitzen und die nachfolgenden Verhandlungen. Alle Leute waren gemäß eigenen Aussagen immer so ehrlich und hatten einen extremen Stolz. Wenn Du gut kontern konntest, ergaben sich auch heftige Dispute oder anerkennendes Schmunzeln vom Verhandlungspartner. Das Zuschauen macht mir bereits unheimlich Spaß. Jetzt durfte ich endlich mitmachen! Leute, ich habe mich so gefeiert. Ich verkaufte recht schnell meine besten Teile. Ich war der geborene Verkäufer. Wofür fachliches Know-How oder ne Ausbildung später?

1. Regel für Deinen ersten Trödelmarkt-Besuch

Wenn du nicht weißt oder es Dir egal ist, was Du oder jemand anderes dafür bezahlt hat, ist das Pricing schwierig. Zwar lockst Du damit gegebenenfalls viele Kunden an, aber könntest die Ware zu günstig anbieten und wenn Du keinen Vater als Investor hast, der die Standgebühr zahlt, könntest Du am Ende einen negativen Cash-Flow haben. Ich bin ja nicht blöd und Hauptsache Ihr habt Spaß, darum meine erste Regel, die alle für ein Plus-Geschäft beherzigen sollten.

Ich, OZ der Wizard, habe natürlich bei meinem ersten Besuch alles richtig gemacht. Für alle Zweifler die Info: Ich hatte mehr Geld in der Täsch, als zuvor, aber mit einem EK und Kosten von 0 zugegeben günstige Voraussetzungen. Eins nervte mich jedoch. Meine Sachen waren sensationell und ich konnte nicht alles verkaufen. So packten wir ein und versuchten es wieder beim nächsten Mal. Ich lernte und lernte.

Weitere Tipps und Regeln für den Trödelmarkt-Besuch

Der Wetterbericht für den nächsten Tag ist random. Verschiebt es nicht auf das nächste Mal und geht trotz schlechter Vorhersage ein Risiko ein. Auch bei schlechtem Wetter kann Euer USP sein, dass Ihr präsent seid und sobald sich das Wetter auflockert, habt Ihr natürlich die beste Ware auf dem Markt, weil die anderen Loser zuhause geblieben sind. Ihr seid Gewinner und keine Opfer! Come on!
Am Anfang kommen nur die bösen Händler, die Stock-Picking machen – wir nennen Sie mal in diesem Zuge Bären. Nicht alle Bären wollen Euch fressen, es gibt auch good guys, die wirklich faire Preise zahlen. Hört Euch alles an, wenn Ihr nicht viel Ahnung von Euren Produkten habt, dann vergleicht die Offerten. Recht schnell kristallisiert sich meistens ein adäquater Preis für Eure Topseller heraus, von dem Ihr im Laufe des Tages profitiert. Sind alle Bären ab ca. 08:00 Uhr zu Ihren eigenen Ständen weitergezogen, so habt Ihr schon mal gute Richtwerte für die kommende Kundschaft – die Frühaufsteher.
Die Frühaufsteher zwischen 08:00 und 10:00 Uhr sind die Bären in einer Light-Version. Sie sind hip und wollen ein paar Schnäppchen machen, die sie dann später online teurer anbieten und bei Erfolg beim nächsten Familien-Grillfest damit prahlen, was sie für ein geiles Schnäppchen gemacht haben und wie dumm nur der Verkäufer war es so günstig herzugeben. Lasst die Säcke schwafeln und nutzt ihr gefährliches Halbwissen. Denn das Wissen eines Frühaufstehers ist ebenfalls allenfalls ne Cola Light koffeinfrei. Er hat sicherlich auf einem Gebiet eine unheimliche Expertise, ist aber von dem einen Erfolg, den er mal vor Jahren mit einem Schnapper hatte so geflasht, dass er sich auf der Suche nach dem zweiten verlorenen Schatz von Indiana Jones auch mal in anderen Segmenten versucht und unachtsam wird. Packt ihn und preist ihm mit unschuldigen Blicken diverse Raritäten zur UVP an – dafür ist er gut, für mehr nicht. Erzählt Geschichten – hier könnt Ihr zum Bullen werden und ihm die Entscheidung für den zweiten Schnapper seines Lebens abnehmen. Wenn er bei Eurer Preisvorstellung nicht direkt ein abfälliges Kommentar loslässt oder mit den Augen rollt, dann habt Ihr die Chance. Ok, ein gewisses schauspielerisches Talent ist gefragt, aber glaubt mir, Ihr werdet den ganzen Tag Euer breites Grinsen nach einem eingetüteten Deal nicht mehr verlieren. Möge das nächste Familienfest ihn aufklären und die Basis für Euer Grinsen sein.
Nach den Frühaufstehern folgt die entscheidende Kundschaft. Was soll man großartig sagen, außer „have fun“. Angenehme Gespräche und häufig realistische Vorstellungen! Wenn Ihr vorher Eure Highlights nicht abgegeben habt, dann wird der Rubel rollen.
Hat es bei den Light-Bären mit der Schauspielerei geklappt? Falls nicht, dann habt Ihr in der Gruppe die nächste Chance: Wenn Ihr zu zweit, dritt oder viert verkauft und es ruhig wird, sollten sich bis auf eine Person hinter dem Stand alle vor dem Stand bewegen. Ihr führt dann einfach weiter die normalen Gespräche unter Familienmitgliedern oder Freunden, jedoch nehmen die Marktbesucher das als Verhandlungen war und das es bei Euch am Stand etwas zu holen gibt. Alle wittern Schnäppchen und schalten zeitweise den Verstand aus. Es ist also alles, wie auch sonst bei jedem Räumungsverkauf oder Supersale in allen Shops dieser Welt. Gleichzeitig können Eure Begleiter ein wenig auf die Elstern, nähere Erklärung nicht notwendig, aufpassen. Die nutzen nämlich mal schnell so eine Phase der Hektik, um sich schnell zu bereichern. Entdeckt Ihr eine Elster und diese entwischt, dann rennt bloß nicht hinterher, wenn Ihr alleine seid. Der Schaden wird so am Ende deutlicher ausfallen. Wertvolle Sachen verkauft man heute eh im Netz, aber falls Ihr doch mal etwas mitnehmen wollt, so platziert es direkt vor Euch. Ihr werdet bei Verlust sonst in der Nacht schlecht schlafen und Euch tagelang über Eure Unachtsamkeit aufregen. Ihr seid nun vorbereitet und müsst das nicht mehr durchleben.
Wenn Ihr Euer Geschäft bis ca. 14:00 Uhr gemacht habt, dann überlegt Euch echt, ob Ihr nicht den Rest auch einfach loswerden wolltet. Ja, es wird teilweise schmerzen, aber die Maulwürfe sind unterwegs. Die Maulwürfe, will ich ebenfalls nicht weiter erläutern, wollen die tollsten Schnäppchen machen, obwohl schon alles abgegrast wurde. Sie versuchen es trotzdem und Albert Einstein würde es als Wahnsinn bezeichnen, aber so ist es halt. Sie sind jedenfalls auch noch kauffreudig, aber brauchen nen kleinen Preis, um zu glauben, dass sie da etwas rares/wertvolles erstanden haben. Mit Eurer guten Laune nach einem gelungenen Tag, könnt Ihr jedem Maulwurf etwas verkaufen. Danach ab zu Mäcces oder Burger King und den Verdienst zählen. Egal wie viel, das macht Spaß!

Alle Angaben ohne Gewähr. Meine Expertise beruht auf Erfahrungen aus der Zeit von 1992 bis 2002. Es mag sich etwas verändert haben. Ach ja, darauf basiert auch mein Business. Dennoch, wenn Ihr auf nem Markt seid, dann werdet Ihr mit Sicherheit noch typische Abläufe erkennen.

Zum Abschluss dieses Parts möchte ich Euch noch über einen weit verbreiteten Spruch unter Trödelhändlern aufmerksam machen: „Jeden Tag steht ein Dummer auf.“ Das sollte so viel heißen, dass das Verkäufer zwecks Unwissenheit der Kunden den Deal seines Lebens mit seinen Ladenhütern macht. Irgendwie konnte ich aus Respekt damit schon nichts anfangen und sah Woche für Woche, wie der Stand der Trödel-Kollegen Ausmaße einer Mülldeponie annahm und in Dummheit gipfelte.

Dabei hatten sie ja recht. Jeden Tag steht ein Dummer auf, steigt in sein Auto, fährt zum Markt und glaubt, dass für seine Artikel täglich tausende Kunden mehr als den Neupreis zahlen. Fragt sich halt, wer hier idiotisch gehandelt hat. Betriebsblindheit auf dem Trödel!